Do. 17.01.2019, 15.00 Uhr

Alter Wein im neuen Schläuchen - Antisemitismus und seine aktuellen Erscheinungsformen

 „Keine Verschwörungstheorien, sondern Verschwörungsmythen“
Antisemitismus früher und heute in der Seniorenakademie

In der ersten Veranstaltung der Vortragsreihe 2019 befasste sich die Seniorenakademie Pfinztal mit dem Thema „Alter Wein in neuen Schläuchen – Antisemitismus und seine aktuellen Erscheinungsformen“. Als Referent wirkte der promovierte Religionswissenschaftler Michael Blume, der von der Landesregierung Baden-Württemberg zum Beauftragten gegen Antisemitismus berufen wurde, wie Sitzungsleiter Bernd Matthes einleitend erklärte. „Mir wäre es lieber, es gäbe keinen Anlass für eine solche Funktion. Das Land, das erste in Deutschland, war aber gut beraten, die Stelle im März 2018 einzurichten“, sagte M. Blume. 

„Lernen wir Menschen es nie? fragte der Referent. Der Antisemitismus verbinde Ideologien wie den radikalen Islamismus und Nationalsozialismus. Sie propagieren eine jüdische Weltverschwörung; Angriffe dagegen würden als Verteidigung verstanden. Hass werde niemals satt; am Ende blieben aber nur Tod und Zerstörung. Hinter allem, was schief laufe, stecke nach deren Ideologie der Verschwörungsgedanke. Es seien aber keine wissenschaftlich belegbare Verschwörungstheorien, sondern nur Verschwörungsmythen. Selbst Gruppen im arabischen Raum werfen sich gegenseitig vor, Teil der jüdischen Weltverschwörung zu sein. Diese werde aber auch vom MdL Wolfgang Gedeon in seinen Schriften erwähnt. In diesem Gedankengut werden Juden auch für die Migration nach Europa verantwortlich gemacht. Unter osteuropäischen Zuwanderern sei Antisemitismus stark vertreten und finde auch in der Mitte der Gesellschaft Zuspruch. In den Mythos, dass eine böse Macht die Welt regiert, werden auch Medien, Politiker, sogar Ärzte und Richter mit einbezogen.

Blume ging auch auf die Wortbedeutung ein. Sie leite sich von Sem, einem der Söhne Noahs in der Bibel ab. Mit ihm beginne das Zeitalter der Schriftreligion. Die Uridee des Semitismus sei das Schaffen eines freiheitlichen Rechtsstaates gewesen. Der Antisemitismus habe sich gegen die Heiligen Schriften gewandt; bei ihm galt das Recht des Stärkeren. Blume erwähnte auch die Wandlung Martin Luthers im hohen Alter. Hier werden Elemente eines rassistischen Antisemitismus in seinen Schriften deutlich. Ein Grund für die Ausgrenzung des Judentums seien immer auch Neidgedanken gewesen. Juden waren erste Gebildete, konnten lesen und schreiben, später gefielen ihr Reichtum und ihr kaufmännisches Geschick nicht. Der Ver-schwörungsgedanke wurde so immer wieder genährt.

In der Neuzeit habe sich Antisemitismus durch elektronische Medien und dann durch digitale, soziale Medien und Plattformen verstärkt. Hakenkreuz-Schmierereien, Brandanschläge gegen Synagogen oder Gruppenradikalisierung im Internet seien aktuelle Erscheinungsformen. Als wirksame Gegenmittel sieht Blume das Führen eines Dialoges mit unterschiedlichen Religionen, das Hinterfragen eigener Vorurteile und das Verteidigen des Rechtsstaates und der Wissenschaften – auch durch junge Menschen. Antisemitismus löse kein Problem. Er treffe nicht zu, wenn der Staat Israel für politische Maßnahmen kritisiert werde. Nur wenn dessen Existenzberechtigung bezweifelt werde, könne man davon sprechen.

Text und Foto: Karl-Heinz Wenz                             



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Verabschiedung August Becker als Leiter der Pfinztaler Seniorenakademie

„Ein Segen für unsere Gesellschaft, ein Juwel für Pfinztal“
Nach 20 Jahren endet die Ära Becker in der Leitung der Seniorenakademie

Eine 20-jährige Ära der Seniorenakademie Pfinztal unter Führung und Verantwortung des „speziellen und außergewöhnlichen Menschen“, Pfarrer im Ruhestand August Becker, mit tatkräftiger Unterstützung seiner Ehefrau Rosi, geht zu Ende. Mit einer würdigen, niveauvollen Feierstunde verabschiedete die Gemeinde in Anwesenheit zahlreicher Wegbegleiter und Freunde der Seniorenakademie ihren langjährigen Mentor und Inspirator aus dem Ehrenamt. Sie wurde zu einer Hommage für eine nunmehr 87-jährige Persönlichkeit, deren Wirken in Pfinztal und darüber hinaus unvergessen bleiben wird, wie Bürgermeisterin Nicola Bodner und Laudator Dr. Erwin Vetter, früherer Landesminister und Abgeordneter, in ihren sehr persönlich und viele Facetten ansprechenden Reden feststellten.

Es sei ein Geschenk für die Gemeinde und vor allem für die Senioren gewesen, als das Ehepaar Becker nach 35-jähriger Tätigkeit als Stadtpfarrer in Mannheim in den Heimatort als „Ruhesitz“ zurückkehrte und sich bald für die Arbeit für Senioren „einspannen“ ließ. „Sie wussten, was Senioren für Geist, Körper und Seele brauchen“, schwärmte N. Bodner. Ein Seniorenbeirat entstand, aus dem heraus sich die Akademie entwickelte. „Wir haben uns durch Ihr Engagement und beharrliches Wirken, durch die Arbeit ihrer Tutoren und vieler kompetenter Referenten bereichert“. Zahlreiche Auszeichnungen und ein guter Ruf weit über Pfinztal hinaus würdigten bereits die segensreiche Arbeit der Einrichtung, die „Sie zu einer Seniorenfamilie gemacht haben“. Im 88.Lebensjahr noch geistig und körperlich erstaunlich fit, immer auf der Suche nach Neuem, ein Charakter mit Ecken und Kanten, die wir liebten, umschrieb Bodner treffend. Für das gemeinsame außergewöhnliche Engagement überreichte Bodner im Namen des Gemeinderates, der Ortschaftsräte und der Gemeindeverwaltung eine spezielle Urkunde und Präsente. Es werde mit der Akademie weitergehen, versicherte das Gemeindeoberhaupt. Im Team werden Dr. Bernd Matthes und Manfred Seyfried für die Planung verantwortlich zeichnen. Besonders erfreue sie, dass das Ehepaar Becker weiter der Akademie verbunden, auch Ratgeber bleiben will. August wird weiter den Geschichts- und Rosi den Literaturkreis leiten.

Viele Prädikate zeichneten den „ewigen Becker und seine Chefin Rosi“ aus, startete E. Vetter humorvoll seine Laudatio. Dem Arbeitersohn, studierten Theologen und der Volkswirtin und Religionspädagogin seien eigen: Wache Augen, klarer Verstand, Herzlichkeit, Glaubensstärke und Führungsqualitäten. „Die Pfinztaler Seniorenakademie ist im Land eine Spitzeneinrichtung der Seniorenarbeit“. Vetter skizzierte die „vielen guten Begegnungen“ mit Becker und die Entwicklung der Akademie, den besonderen Wert der Arbeit im Bereich moderne Medien, Kunst, Geschichte, Literatur, Kreativwerkstatt und bei Natur- und Umweltthemen. Dabei sei alles mit einer großen Arbeitsbelastung einhergegangen; Verlässlichkeit sei immer ein Trumpf gewesen. Vetter sprach seine Hochachtung über die Lebensleistung aus.

In seiner Erwiderung und seinen Dankesworten wurde mehrfach der Humor als weitere prägende Eigenschaft Beckers deutlich. Er verdeutlichte, mit interessanten Anekdoten unterlegt, seine seelsorgerische Tätigkeit in Mannheim, die Entwicklung der Akademie aus kleinsten Anfängen mit Überwindung einiger Widerstände im Detail und zeigte auch Stolz über deren Erfolgsgeschichte. Dank galt seinen vielen Helfern - „nur gemeinsam konnten wir stark sein“ – und dem treuen Stammpublikum. Er scheide nicht mit Wehmut, sondern spüre eine ungeheure Befreiung. Dem Alter entsprechend, gebe es nun kurzfristige Ziele, bei dem er sich und seine Frau doppelt beschirmt wüssten.   Das Streichorchester des Posaunenchores Söllingen sorgte unter Leitung von Walter Heiduck für eine gehaltvolle musikalische Umrahmung der Feierstunde. Unter Mithilfe einiger Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und Mitstreiter aus dem Seniorenkreis hatten die Gäste bei Bewirtung vom kalten Büffet noch reichlich Gelegenheit zu Gesprächen mit und über Ehepaar Becker und ihr Wirken.   

 

Text und Foto: Karl-Heinz Wenz