Di. 19.03.2019, 15.00 Uhr

Karl May und das Orientbild der Deutschen

„Karl May beeinflusste Orientbild der Deutschen“
Seine einzige Orientreise brachte innere Wandlung

Eine „recht große Resonanz“, so Sitzungsleiter Dr. Bernd Matthes, fand der jüngste Vortrag der Seniorenakademie Pfinztal unter dem Titel „Karl May und das Orientbild der Deutschen“. Als Referent wirkte Hans Hugo Klein, ehemaliger Universitätsprofessor für öffentliches Recht, über zehn Jahre auch Mitglied des Bundestags und danach Richter am Bundesverfassungsgericht. Seit dieser Zeit ist er in Söllingen wohnhaft.
„Karl May lebt“, begann Klein seine interessanten Ausführungen und begründete dies mit Feststellungen wie: Karl May (1842 bis 1912) ist der meist gelesene Schriftsteller der deutschen Literaturgeschichte, seine Werke wurden in 40 Sprachen übersetzt mit einer weltweiten Auflage von über 200 Millionen, jährlich werden über zehn Festspiele veranstaltet, und es gibt Filmklassiker und Neuverfilmungen.
Es verstehe sich von selbst, dass Mays lebensnahen und authentischen Reiseberichte Einfluss auf das Weltbild der Deutschen genommen haben. Sie gelten als Mischung aus spannender Unterhaltung und universeller Belehrung. May habe sich als Lehrer seiner Leser verstanden. Fehler in seinen Darstellungen seien aber heute längst erkannt und bekannt. Dennoch gelte er bei führenden Germanisten als Leitinstanz des neuen deutschen Orientbildes. Seine Schilderung des Vorderen Orients mit Stammesfehden, Blutrache, Religionshass oder korrupter Staatsgewalt gelte für viele noch als aktuell. Sehr unterschiedlich schildere May Minderheiten und ganze Völker. Jesiten werden als „reinlich, aufrichtig und treu“ beschrieben; man finde deutsche Gemütlichkeit bei ihnen. Dies habe wohl auch Auswirkung, dass heute kaum jemand Anstoß an jesitischen Migranten nehme. Nicht gut wegkommen die Armenier („Wo Heimtücke geplant ist, ist ein Armenier im Spiel“). Seine Aussagen über dieses Volk seien sicher ein Schandfleck in Mays Werk. Pauschal abwertende Aussagen gebe es auch zu Juden („Antisemitismus ist auch May nicht fremd“), Chinesen oder Schwarze. Obwohl sich May bewusst von den ethnologischen Vorurteilen seiner Zeit absetzen wollte, findet man bei ihm heute als rassistisch geltende Formulierungen. Die von Nationalismus und Rassismus geprägte Zeit im wilhelminischen Deutschland zeigte wohl auch bei May seine Wirkung.
Sein Bild über den Islam ist differenziert. Er schildert religiös begründeten Fanatismus oder Hass gegen Andersgläubige. Andererseits war er ein guter Kenner des Koran mit nicht kompatiblen Aussagen im Vergleich mit dem Christentum. May wollte aber ein Zeichen der Toleranz setzen und bezeichnete die christliche Mission als friedensstörend.
Eine einzige Orientreise (1899/1900) habe bei May eine innere Wandlung bewirkt. Dazu gehörte Kritik am Kaiser; Pazifismus wird wahrgenommen. Er setzt sich dann für die Gleichwertigkeit der Religionen und Ebenbürtigkeit der Kulturen ein. „Tragt Eure Religion nach draußen, aber stört nicht. Bringt nur Liebe mit. Dann wird ein Paradies auf Erden sein“.

Text und Foto: Karl-Heinz Wenz



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Verabschiedung August Becker als Leiter der Pfinztaler Seniorenakademie

„Ein Segen für unsere Gesellschaft, ein Juwel für Pfinztal“
Nach 20 Jahren endet die Ära Becker in der Leitung der Seniorenakademie

Eine 20-jährige Ära der Seniorenakademie Pfinztal unter Führung und Verantwortung des „speziellen und außergewöhnlichen Menschen“, Pfarrer im Ruhestand August Becker, mit tatkräftiger Unterstützung seiner Ehefrau Rosi, geht zu Ende. Mit einer würdigen, niveauvollen Feierstunde verabschiedete die Gemeinde in Anwesenheit zahlreicher Wegbegleiter und Freunde der Seniorenakademie ihren langjährigen Mentor und Inspirator aus dem Ehrenamt. Sie wurde zu einer Hommage für eine nunmehr 87-jährige Persönlichkeit, deren Wirken in Pfinztal und darüber hinaus unvergessen bleiben wird, wie Bürgermeisterin Nicola Bodner und Laudator Dr. Erwin Vetter, früherer Landesminister und Abgeordneter, in ihren sehr persönlich und viele Facetten ansprechenden Reden feststellten.

Es sei ein Geschenk für die Gemeinde und vor allem für die Senioren gewesen, als das Ehepaar Becker nach 35-jähriger Tätigkeit als Stadtpfarrer in Mannheim in den Heimatort als „Ruhesitz“ zurückkehrte und sich bald für die Arbeit für Senioren „einspannen“ ließ. „Sie wussten, was Senioren für Geist, Körper und Seele brauchen“, schwärmte N. Bodner. Ein Seniorenbeirat entstand, aus dem heraus sich die Akademie entwickelte. „Wir haben uns durch Ihr Engagement und beharrliches Wirken, durch die Arbeit ihrer Tutoren und vieler kompetenter Referenten bereichert“. Zahlreiche Auszeichnungen und ein guter Ruf weit über Pfinztal hinaus würdigten bereits die segensreiche Arbeit der Einrichtung, die „Sie zu einer Seniorenfamilie gemacht haben“. Im 88.Lebensjahr noch geistig und körperlich erstaunlich fit, immer auf der Suche nach Neuem, ein Charakter mit Ecken und Kanten, die wir liebten, umschrieb Bodner treffend. Für das gemeinsame außergewöhnliche Engagement überreichte Bodner im Namen des Gemeinderates, der Ortschaftsräte und der Gemeindeverwaltung eine spezielle Urkunde und Präsente. Es werde mit der Akademie weitergehen, versicherte das Gemeindeoberhaupt. Im Team werden Dr. Bernd Matthes und Manfred Seyfried für die Planung verantwortlich zeichnen. Besonders erfreue sie, dass das Ehepaar Becker weiter der Akademie verbunden, auch Ratgeber bleiben will. August wird weiter den Geschichts- und Rosi den Literaturkreis leiten.

Viele Prädikate zeichneten den „ewigen Becker und seine Chefin Rosi“ aus, startete E. Vetter humorvoll seine Laudatio. Dem Arbeitersohn, studierten Theologen und der Volkswirtin und Religionspädagogin seien eigen: Wache Augen, klarer Verstand, Herzlichkeit, Glaubensstärke und Führungsqualitäten. „Die Pfinztaler Seniorenakademie ist im Land eine Spitzeneinrichtung der Seniorenarbeit“. Vetter skizzierte die „vielen guten Begegnungen“ mit Becker und die Entwicklung der Akademie, den besonderen Wert der Arbeit im Bereich moderne Medien, Kunst, Geschichte, Literatur, Kreativwerkstatt und bei Natur- und Umweltthemen. Dabei sei alles mit einer großen Arbeitsbelastung einhergegangen; Verlässlichkeit sei immer ein Trumpf gewesen. Vetter sprach seine Hochachtung über die Lebensleistung aus.

In seiner Erwiderung und seinen Dankesworten wurde mehrfach der Humor als weitere prägende Eigenschaft Beckers deutlich. Er verdeutlichte, mit interessanten Anekdoten unterlegt, seine seelsorgerische Tätigkeit in Mannheim, die Entwicklung der Akademie aus kleinsten Anfängen mit Überwindung einiger Widerstände im Detail und zeigte auch Stolz über deren Erfolgsgeschichte. Dank galt seinen vielen Helfern - „nur gemeinsam konnten wir stark sein“ – und dem treuen Stammpublikum. Er scheide nicht mit Wehmut, sondern spüre eine ungeheure Befreiung. Dem Alter entsprechend, gebe es nun kurzfristige Ziele, bei dem er sich und seine Frau doppelt beschirmt wüssten.   Das Streichorchester des Posaunenchores Söllingen sorgte unter Leitung von Walter Heiduck für eine gehaltvolle musikalische Umrahmung der Feierstunde. Unter Mithilfe einiger Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung und Mitstreiter aus dem Seniorenkreis hatten die Gäste bei Bewirtung vom kalten Büffet noch reichlich Gelegenheit zu Gesprächen mit und über Ehepaar Becker und ihr Wirken.   

 

Text und Foto: Karl-Heinz Wenz